Wenn man sich das menschliche Gehirn anschaut, sieht man vor allem den sogenannten Kortex, die Großhirnrinde. Diese stark gefaltete Struktur ist wichtig für unsere geistige Leistungsfähigkeit. Jede Region auf dem Kortex hat eine etwas unterschiedliche Aufgabe. Manche sind für das Sehen, andere für das Hören, Lernen, Erinnern oder Planen zuständig. Tiefer verborgen im Gehirn sind entwicklungsgeschichtlich ältere Strukturen. Sie sind unter anderem für die Aufrechterhaltung unserer körperlichen Funktionen zuständig, wie etwa das Atmen oder unseren Tag-Nacht-Rhythmus.
“Info-Bite”: 3D-Objekt (Raphael Heiser für dform.at)
Eine Nervenzelle besteht aus verschiedenen Abschnitten. Es gibt einen Eingangsbereich, in dem sie Informationen von anderen Nervenzellen sammelt. Man nennt diesen Bereich auch Dendritenbaum, weil er an das verzweigte Wurzelwerk einer Pflanze erinnert. Die Informationen werden im Zellkörper gespeichert und wenn eine kritische Schwelle überschritten ist, wird ein Impuls in einer spezialisierten Leitung, dem Axon, an die nächsten Zellen weitergeleitet. Man sagt dann auch die Nervenzelle „feuert“. Am Ende des Axons liegen die Synapsen, in denen chemische Botschaften an die nächsten Zellen weitergeleitet werden.
“Info-Bite”: 3D-Objekt (Raphael Heiser für dform.at)
Der deutsche Neuro-Anatom und Psychiater Korbinian Brodmann (1868–1918) teilte bereits Anfang des 20. Jahrhunderts die Großhirnrinde (Kortex) in verschiedene Felder ein. Diese Einteilung beruhte auf histologischen Studien, das heißt auf mikroskopischen Untersuchungen des Hirngewebes. Die sogenannten Brodmann-Areale unterscheiden sind nach der Verteilung der Zellen. Brodmann sprach von der „Zellarchitektur“ der Großhirnrinde. Später zeigte sich, dass dieser unterschiedliche Aufbau des Kortex oft mit unterschiedlichen Funktionen einhergeht. So ermöglichen z. B. die Areale 17, 18 und 19 das Sehen.
“Info-Bite”: 3D-Objekt (Raphael Heiser für dform.at)
Um 1800 vertraten Franz Joseph Gall und Johann Gaspar Spurzheim die zweifelhafte Ansicht, man könne aus der Form unterschiedlicher Schädelregionen auf die Ausprägung bestimmter geistiger und psychischer Veranlagungen und Fähigkeiten schließen. Spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts diente die Irrlehre der Schädelvermessung rassistischen Theorien als scheinbar wissenschaftliche Basis. Auch die feste Zuordnung von Hirnregionen zu bestimmten Denkleistungen gilt in dieser extremen Form heute als widerlegt.
“Info-Bite”: 3D-Objekt (Raphael Heiser für dform.at)
In den Mustern der Hirnaktivität spiegeln sich die Gedanken einer Person wider. Wenn man sie mit einem Hirnscanner misst, kann man einem Computer beibringen, daraus die Gedanken einer Person bis zu einem gewissen Grad zu entschlüsseln. Die Trefferquote hängt von vielen Faktoren ab. Die Hirnmuster können von Person zu Person sehr verschieden sein. Deshalb muss man den Computer für jede Person neu trainieren. Außerdem sind mit unseren derzeitigen Hirnscannern die Details der Hirnmuster noch nicht feinkörnig auflösbar. Eine wichtige Rolle spielen mathematische Modelle, die es erlauben, „Ordnung“ in die vielfältigen Gedankenmuster zu bringen.
Die linke Karte zeigt Regionen des Gehirns, die für die Bewegung der linken und rechten Hand aktiv werden. Die rechte Karte zeigt dieselbe, abgeschwächte Aktivität, wenn wir uns im Traum dieselben Bewegungen vorstellen. Die Abbildung der Hände im Gehirn ist kontralateral, also gespiegelt, so dass die linke Hand rechts aktiviert und die rechte Hand links.
Regionen im Gehirn, in den man aus den Aktivitätsmustern annähernd erkennen kann, was eine Person zu tun beabsichtigt. Die Region in Grün zeigt, wo die entfernteren Pläne codiert sind, die in Rot zeigt, wo die aktuellen Absichten codiert sind. Je nachdem ob eine Person plant Zahlen zu addieren oder subtrahieren, ändert sich das Muster der Hirnaktivität.
“Info-Bite”: Animiertes 3D-Objekt (Marc Schuran für dform.at)
Dieser Mann wurde zu einem der bekanntesten Fälle der Neurowissenschaft: Phineas Gage. Sein Gehirn wurde 1848 bei einem Unfall von einer Eisenstange durchbohrt. Gage blieb bei Bewusstsein und konnte über den gesamten Verlauf des Unfalls berichten. Alle äußerlichen Verletzungen verheilten, lediglich sein linkes Auge wurde irreversibel zerstört. Wichtiger war aber wohl Folgendes: Eine Region seines sogenannten „präfrontalen Kortex“ wurde schwer beschädigt. Zwar waren seine kognitiven und motorischen Fähigkeiten bald wieder intakt. In der Zeit nach dem Unfall kam es jedoch zu Veränderungen seiner Persönlichkeit. Aus dem besonnenen und freundlichen Gage wurde ein impulsiver, unberechenbarer Mensch. Daraus schloss man darauf, dass der präfrontale Kortex für Selbstkontrolle und Persönlichkeit wichtig ist.
Phineas Gage mit Eisenstange
Es ist wohl das bekannteste Gleichnis der antiken Philosophie: Platons Höhlengleichnis. Man stelle sich eine Gruppe von Menschen vor, die in einer Höhle sitzen. Sie sind festgekettet und können ihren Blick nicht wenden. Sie sehen einzig die Schatten auf einer Wand, die durch das Feuer entstehen, das hinter ihnen brennt. Daraus allein besteht die für sie sichtbare Welt. Es ist das Abbild der Realität, das sie mit der Wirklichkeit gleichsetzen, da ihnen andere Möglichkeiten der Wahrnehmung verschlossen bleiben. Was bedeutet das für unser Verständnis von Wahrnehmung und Wirklichkeit? Ist die Welt identisch mit dem, was wir von ihr wahrnehmen?
Der Kupferstich „Die platonische Höhle“ von Jan Saenredam nach dem Ölgemälde von Cornelis van Haarlem (Wikimedia)
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Platon_Cave_Sanraedam_1604.jpg
“Info-Bite”: 3D-Objekt (Marc Schuran für dform.at)
Natürlich wissen wir alle, wie ein Fahrrad aussieht. Warum aber fällt es uns so schwer, es aus dem Gedächtnis zu zeichnen? Das hängt nicht nur mit fehlendem Talent zusammen. Der italienische Designer Gianluca Gimini hat über 300 Menschen gebeten, aus dem Gedächtnis ein Fahrrad zu zeichnen. Anschließend hat er einige der gezeichneten Fahrräder am Computer virtuell nachgebaut. Das Ergebnis war: Kaum eines davon wäre fahrtauglich. Das liegt vor allem daran, dass unser Gehirn nicht alle Details parat hat. Denn um ein Fahrrad zu erkennen oder auch nur Rad fahren zu können, brauchen wir den genauen Aufbau eines Fahrrads nicht zu kennen. Es gibt also keine Notwendigkeit, sich jedes Detail zu merken. Unser Gehirn geht mit seinen Kapazitäten sparsam und effizient um.
Rosalba's Bike aus: Gianluca Gimini, Velocipedia, 2009-16
“Info-Bite”: 3D-Objekt (Marc Schuran für dform.at)
Optische Täuschungen sind interessant für die Hirnforschung, weil aus ihnen Rückschlüsse über die Verarbeitung von Sinnesreizen im Gehirn gewonnen werden können. Täuschungen beruhen meist darauf, dass wir nicht unvoreingenommen sehen können: Unser Gehirn ordnet die optischen Reize auf der Grundlage unserer Erfahrungen ein. Geometrie und Hell-Dunkel-Kontraste suggerieren Eindrücke, die über die tatsächliche Beschaffenheit eines Objektes täuschen können. So können statische Bilder auf uns wirken, als bewegte sich etwas. Oder eine Fläche kann durch Linien und Schattierungen wie ein dreidimensionaler Raum oder Körper aussehen. Der Torus – eine geometrische Form, die aus der Drehung eines Kreises um eine Achse erzeugt wird, ist ein Beispiel dafür.
“Info-Bite”: 3D-Objekt (Raphael Heiser für dform.at)
Für viele gilt der Seh-Sinn als das wichtigste Mittel zur Orientierung in der Welt. Mitunter lassen wir uns aber gerade von unseren Augen hinters Licht führen. Optische Illusionen entstehen häufig, wenn Objekte miteinander in Beziehung gesetzt werden. Dann schließen wir z. B. durch einen Größenvergleich auf die tatsächliche Größe – und liegen häufig daneben. Bei dieser Täuschung liegen die Ursachen woanders: Wir nehmen die Bewegung der beiden Streifen als rhythmisiert wahr, weil unser Bewegungssehen nahezu farbenblind ist. Da es sich auf die Hell-Dunkel-Kontraste stützt, verschwimmen der blaue Streifen auf schwarzem Hintergrund und der gelbe auf weißem. Es entsteht der Eindruck einer abwechselnd aufeinanderfolgenden Bewegung, obwohl der gelbe und der blaue Streifen sich ganz gleichmäßig bewegen.
“Info-Bite”: 3D-Objekt (Raphael Heiser für dform.at)
Ein Cyborg (engl. cybernetic organism) ist ein Mischwesen aus einem Menschen und einer Maschine. Die Vorstellung derartiger Wesen taucht in der Literatur bereits im 19. Jahrhundert auf, noch häufiger aber im Film und in der Pop-Kultur unserer Zeit. Philosophisch hat der Transhumanismus die Idee wieder aufgegriffen. Diese Denkrichtung sieht die nächste logische Entwicklungsstufe der Menschheit in einer Verschmelzung von Mensch und intelligenter Technologie. Die feministische Philosophin Donna Haraway hat darauf basierend die Idee entwickelt, dass auf diese Weise auch die Unterschiede zwischen den Geschlechtern aufzuheben seien. Es gibt aber auch schon echte Schnittstellen zwischen Mensch und Technik, die heute zum Einsatz kommen, wie z. B. Neuro-Implantate.
“Info-Bite”: 3D-Objekt (Raphael Heiser für dform.at)
Ein Hörverlust kann durch eine elektronische Prothese zu einem gewissen Grad ersetzt werden. Eine Ursache für Gehörlosigkeit liegt im Innenohr. Dort lösen in der Hörschnecke (Cochlea) die Schallwellen elektrische Reize aus, die der Hörnerv ins Gehirn weiterleitet. Ein Cochlea-Implantat kann den Hörnerv in ähnlicher Weise stimulieren wie ein funktionierendes Innenohr. Dabei nimmt ein Mikrofon am Ohr ein Geräusch auf, das in elektrische Reizmuster übersetzt wird. Die Signale werden mit einem kleinen Sender durch die Schädeldecke geleitet und von dort aus in die Hörschnecke eingespeist. Der Hörnerv löst daraufhin einen Höreindruck im Gehirn aus.